1 Rennen, 10 Pässe, 145 Kilometer und alles zu Fuss

3:45 Uhr, Courmayeur (Italien) ……. Olivier und ich, Stirnlampen auf dem Kopf, warten gespannt auf den Start des UTMB TDS-Rennens. 8 Monate, dass wir darüber sprechen und uns dieses Rennen mit ein wenig Besorgnis vorstellen. Jetzt sind wir endlich da!

Die Teilnahme an einem UTMB-Rennen erschien mir vor 2 Jahren wie ein Wahnsinn…. mehr als 145km und 9000m Höhenunterschied, der TDS, der wildeste und technischste Ultra-Trail des UTMB …unmöglich! Aber man lässt sich schnell vom Trail-fieber mitreissen und der Berg ruft immer mehr!

4 Uhr, der Start in den Strassen von Courmayeur begleitet von der Musik «1492, Conquest of paradise» von Vangelis. Wir starten ziemlich am Schluss mit dem Ziel, langsam zu beginnen und Ressourcen für das Ende zu sparen. Strategischer Fehler! Denn wir sind 1600 an der Startlinie! Die ersten 50 km werden sehr langsam und mit sehr wenigen Überholmöglichkeiten absolviert, da die Bergwege steil und sehr schmal sind!

Erster Aufstieg: 1300 Höhenmeter…. eine Parade von kleinen Lichtern tanzt in der Dunkelheit der klaren Nacht. Später, früh am Morgen, geht die Sonne langsam hinter dem Mont Blanc auf. Die umliegenden Gipfel sind von einem rosa Schleier umhüllt. Die Landschaft ist einfach atemberaubend!

Die Pässe folgen aufeinander (10 auf der gesamten Strecke). Bergseen, Gletscher, grüne Täler, steile Passagen, Abstiege in die Täler von Bourg Saint Maurice, Beaufort und Les Contamines Montjoie. Teilweise sind die Abstiege so steil, dass Seile für die Sicherheit installiert wurden. Man merkt in diesen Passagen, welche Läufer Erfahrung mit steilen Bergtrails haben und welche nicht… Denn, man kann die Nationalitäten auf der Startnummer am Rücken erkennen. Die Läufer kommen aus der ganzen Welt. Einige Länder sind definitiv flach und deren Völker an steilen, steinige Wege nicht gewohnt ????! Wir mussten an einem Pass fast 1 Stunde im kühlen Wind warten bis die vorherigen Läufer endlich Mal die schwierige Passage überwindet hatten!

Darm- und Magenprobleme treten bereits ab den fünfzigsten Kilometern auf… In diesen Momenten wird das Essen oder Trinken zu einer Qual, aber gerade jetzt ist regelmäßiges Essen wichtig! Ich zwinge mich jede 30 min etwas zu essen und sehr regelmässig zu trinken. Nach und nach lassen die Probleme am Nachmittag nach und ich kann dieses Rennen und die außergewöhnliche Atmosphäre während der gesamten Strecke endlich voll und ganz genießen. Ausserdem verteilen sich die Läufer immer mehr auf der Strecke, sodass wir endlich nach unserem eigenen Rhythmus laufen können.

Eine lange, harte Nacht in den Bergen

Die Nacht setzt ein…. die Läufer sind auf dem Weg voneinander getrennt, Diskussionen werden selten und wieder Mal tanzen die kleinen Lichter der Taschenlampen in der Ferne, aber diesmal bilden sie nur kleine helle Flecken, die hier und da am Horizont verstreut sind. Die Bergreliefs zeichnen sich in der dunklen Nacht; alles ist ruhig. Wir verbringen diesen Moment in einem der schönsten Abschnitte der Route, dem Durchgang des Priesters, ein schmaler Weg entlang einer wunderschönen Schlucht! Schade, dass wir in der Nacht nicht viel sehen können. Wir müssen unbedingt zurückkommen!

Mitten in der Nacht erreichen wir die Stadt Beaufort, der einzige geschlossene Posten. Viele Läufer geben hier auf (2 Läufer von 5 haben aufgegeben, ein Rekord dieses Jahr!) Es sind noch 55 Kilometer übrig und einige haben ihre ganzen Kräfte schon verbraucht. Dort erhalten wir eine Ersatztasche mit unserer frischen Kleidung und können unsere Kleider wechseln. Ein guter Snack und eine kleine Pause und wir gehen in guter Form in die kühle Nacht. 

Der frühe Morgen wird schwieriger; der Schlafmangel ist spürbar; wir kämpfen 1 bis 2 Stunden gegen die Müdigkeit. Nach einer guten Pause von 20 Minuten in einem Posten, hört die Müdigkeit auf. Die Ermutigung von dem hunderten flotten und hilfsbereiten Helfer muss man wirklich betonen! Ohne Ihr Engagement wäre dieses Rennen unmöglich! Wir fühlen uns nun wieder fit, um die restliche 3000 Höhenmeter und 40 Kilometer vor der Ankunft zu bewältigen.

Chamonix kommt näher

Bellevue, der letzte Pass… bedeutet «schöne Aussicht» auf Französisch… und was für eine Aussicht! Der Mont Blanc zeigt sich wieder vor uns in seiner ganzen Pracht! Jetzt wissen wir, dass wir ans Ziel kommen werden; es sind nur noch 15 km Abstieg! Die Beine sind zwar schwer, die Knie schmerzen aber die Freude und die Endorphine maskieren jeden Schmerz und lassen ihn verschwinden!

Dorfeingang von Chamonix: 2 km durch die Fussgängerzone bis ans Ziel; die Atmosphäre ist außergewöhnlich, die Passanten und die Menschen auf den Terrassen der Restaurants jubeln und ermutigen jeden Läufer. Wir beschleunigen unseren Schritt automatisch, ohne es zu bemerken, und werden von der festlichen Stimmung mitgerissen.

Endlich erreichen wir überglücklich die Ziellinie nach 39 Stunden und 12 Minuten und beenden dieses großartige Rennen!