XTERRA WM – Racebericht von Oli Fischer

Race Report:

Mein Kampfplan sieht folgendermassen aus: Möglichst im vorderen Mittelfeld aus dem Wasser kommen, um nicht zuviel Stau zu haben auf dem Singletrail im Wald, dann mich in der zweiten Hälfte Bike ziemlich auspowern und beim Laufen möglichst wenig Plätze einbüssen. Es wird grosse Hitze herrschen, und der limitierende Faktor wird der Kreislauf sein, nicht das Muskuläre. Also muss ich muskulär solange so viel aus mir rausquetschen, wie es die Hitze zulässt – also auf dem Bike. Des Weiteren wird die Flüssigkeitszunahme entscheidend sein. In meinem Trinkrucksack habe ich 1.2 Liter Gatorade, und zudem werde ich an beiden Verpflegungsstationen auf dem Bike je einen Bidon Wasser greifen. Beim Laufen nehme ich, was geht. Für Energie sorgen (neben dem Carboloading) vier Gels.

Der Start wird für die Age Grouper Men um 0902 erfolgen, zwei Minuten nach den Pros und zwei vor den AG Women. Genügend Zeit, die Wechselzone einzurichten. Danach runter zum Strand, kurz einschwimmen. Anschliessend bekommen die Athleten vom Hawaiianischen Priester noch eine Segnung für das Race. Es folgt die Amerikanische Nationalhymne. Ich finde es mega und sehr emotional! Helikopter in der Luft.

Für den Start platziere ich mich in einer der vorderen Reihen am nördlichen Rand des Starterfeldes, denn es herrscht ein beachtliche Strömung von Nord nach Süd, und so muss ich beim Hinausschwimmen zur ersten Boie weniger aufkreuzen. Der Schwimmkurs hat eine ‚W‘-Form: Vom Start am Strand 400 m raus, um die erste Boie, zurück zum Strand, 50 m Landgang, 350 m raus zur zweiten Boie und dann wieder zurück, zum Ausstieg. Der Startschuss wird etwas auf die Wellen abgestimmt, damit nicht gerade ein Set mit grossen Brechern alle wieder direkt an den Strand spült.

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Startschuss. Alle rennen los. Aber schon nach 10 Metern staut es, da hier am Nordende des Strandes ein Riff liegt (was mich nicht erstaunt, da ich hier an einem Abend mal noch surfen war), und das Rennen darauf eher schmerzhaft ist. Ich beschliesse, im seichten Wasser bereits zu schwimmen, anstatt mir die Füsse aufzuschneiden. Klappt recht gut; ich komme besser voran als, die, noch zu rennen versuchen, aber ich muss aufpassen, dass ich in den Wellentälern nicht mit den Händen am Riff streife und mir die Finger aufreisse. Dann kommt ein Set mit grossen Wellen herein. Bei der ersten tauche ich unten durch und bei der zweiten schaffe ich es knapp oben drüber. Nach den ersten 100 m habe ich das Gröbste vorerst hinter mir. Die grossen Wellen machen mir weniger zu schaffen, als die kleinen, denn ich erwische zwei-, dreimal einen Schluck Salzwasser (und ich schlucke sonst nie Wasser beim Schwimmen). Vom Gerangel her ist es easy: ausser in einer kurzen Sandwich-Situation habe ich immer genug Platz um mich herum, werde auch kaum überholt. Sporadisch kann man die 2 m hohe Boie sehen, und ich habe das Gefühl einigermassen gerade zu schwimmen, aber ich muss ziemlich gegen die Strömung aufkeuzen. Nach dem Umschwimmen der Boie geht es zurück zum Strand, zum kurzen Landgang ungefähr in der Mitte des D.T. Fleming Beaches. Und auf einmal das Chaos: Gegenverkehr! Einige Dutzend Schwimmer wurden so stark nach Süden abgetrieben, dass sie beim Hinausschwimmen in die Bahn der bereits Zurückschwimmenden kommen. Zum Glück können Marshalls auf Surfboards die Sache einigermassen bereinigen. Der Landgang macht mich fertig, auch wenn es nur 50 m sind. Aber die anderen auch, denn beim Hinausschwimmen zur zweiten Boie kann ich einige Plätze gut machen. Mit den Wellen habe ich das Glück, dass, während ich in der Brechungszone im seichten Wasser bin, keine grossen Brecher hereinkommen. Umrundung der zweiten Boie und zurück zum südlichen Ende des Strandes, wo das grosse rote Gate, das Ende des Schwimmens, wartet. Noch einmal aufkreuzen. Es harzt gewaltig, meine Arme brennen. Ich merke, dass ich seit vier Wochen kein Schwimmtraining mehr gemacht habe. Dann endlich der Ausstieg und der 200 m Lauf bergauf zur Wechselzone. Ich habe Mühe und werde von ein paar Athleten überholt.

Meine grösste Sorge beim Wechsel ist, wie ich den Sand von meinen Füssen bekomme. Der klebt so richtig und würde für die nächsten Stunden Biken und vor allem Laufen so richtig meine Füsse wund scheuern. Also nehme ich mir etwas Zeit, um mir die Füsse zu reinigen. Dann rein in die Schuhe, Trinkrucksack um, Helm und Brille auf. Und weg. Ausserhalb der Wechselzone schwinge ich meinen Arsch aufs Bike und reisse den ersten Gel ab. Solange es die ersten 800 m noch auf Teer bergauf geht, kann ich mich noch in Ruhe ein erstes Mal verpflegen. Den Vorteil des Trinkrucksackes merke ich aber schon hier, kein lästiges Gefummel mit dem Bidon! Jetzt beginnt der Trail und es wird so richtig mühsam: Ich bin durch meine mässige Schwimmleistung voll im Mittelfeld gefangen, und sowohl bei den Uphill- als auch bei den Downhill-Passagen laufe ich trotz ständigen Überholens immer wieder auf Schlangen von 5 bis 10 Fahrern auf, am Kopf irgend ein Ignorant, der keinen vorbeilassen will. Ich entschliesse mich, ein wenig Ruhe zu bewahren und meine Kräfte gezwungenermassen noch zu schonen, bis wir aus dem Wald sind und die Überholmöglichkeiten zahlreicher und besser werden. Der Trail ist hart, manchmal sogar staubig und manchmal auch noch schlammig. Vor mir fährt ein Ami, AG 50-54, nur mit einer Träger-Velohose bekleidet. Er kommentiert lautstark alles. Er weist andere zurecht, schimpft immer wieder, … Ich muss vorbei an dem, aber leider fährt er wirklich stark! Meine Horrorvorstellung ist, dass ich den jetzt zwei Stunden um mich herum habe und mir sein ständiges Gelaver anhören muss – jessesgott! Da vorne kommt eine leicht ansteigende, breite Passage, gefolgt von einer 90 Grad Linkskurve, wie ich aus meiner Trainingsfahrt noch weiss. Da packe ich Ihn! Also los, ich trete härter in die Pedalen und schiebe mich langsam auf seiner linken Seite vor. Er checkt, was ich vorhabe und tritt seinerseits härter. Die Kurve kommt immer näher und er schreit mich an: „Don’t push that corner!“ Und zieht voll nach links, macht mir ‚die Türe‘ zu! Ich bremse, gehe nach rechts. Er ist zu schnell für den engen Winkel um die Kurve, zu viel Gewicht im Sattel, sein Vorderrad rutscht weg. Ich kann gerade noch an ihm vorbeisteuern und hab ihn. Er flucht wie ein Rohrspatz hinter mir. Hoffentlich kann ich ihn bald distanzieren. Scheisse, wenn ich mich für den Rest des Bikens nur noch mit solchen Zweikämpfen herumschlagen muss!

Aber allmählich zieht sich das Feld in die Länge, und ab dem zweiten  grossen Aufstieg mache ich sehr schnell viele Plätze gut. Scheinbar kommen hier, in der Mitte des Bikens, im Anstieg in der aufkommenden Mittagshitze, sehr viele bereits an ihre Grenzen; und ich fühle mich dank meinen 1.5 Litern am Rücken, von denen ich immer wieder nippen kann, und dem zweiten Gel recht gut. Ich glaube, der Rucksack ist die klügste Entscheidung überhaupt gewesen. Danke, Eva, für die gute Idee! Denn immer wieder sehe ich verlorene Bidons auf der Strecke, und an den zwei einzigen Verpflegungsstationen bekommt man nur die kleinen 0.5 Liter Bidons. Und ich überhole nur noch. Vor allem in den Highspeed-Passagen lasse ich es massiv schneller laufen als andere.

Nun gehts es wieder in den Wald, das 8 km lange Finale! Ich nehme wie geplant meinen dritten Gel und sauge die letzten Tropfen aus dem Rucksack. Jetzt geht’s nach hause!

So langsam schleichen sich immer mehr Unachtsamkeiten ein bei mir. Ich werde allmählich müde. Prompt rutscht mir in einer staubigen Kurve das Vorderrad weg. Ich falle zum Glück weich und bei geringem Tempo. Aber beim hastigen Aufsteigen schlipfe ich auch noch von der Pedale und ramme sie mir ins Schienbein. Arrrrrrgh!!! Noch drei Meilen. Harzig geht’s weiter, und es wird immer schlimmer. Die Beine machen langsam schlapp. Als Sahnehäubchen beginnen Kette und Schaltung zu randalieren; Schlamm und Staub in Kombination war heute eine zu grosse Zumutung. Immer lauter wird das Knackgeräusch. Die Kette verhakt sich immer wieder. Wenn das passiert, muss ich den Druck sofort wegnehmen, sonst verwürge ich alles, reisse mir allenfalls den Wechsler ab, im besten Fall nur die Kette. Noch zwei Meilen. Lieber Gott…! Ich kann jetzt nur noch den grossen Kranz fahren, im kleinen verhakt die Kette andauernd. Zwischendurch geht es immer wieder kurz aber knackig bergauf, und meine Beine haben nicht mehr wirklich viel Bumps, um das im grossen Blatt zu drücken.

Die Kette hält, ich schaffe es ins T2 und war noch nie so froh, mein Bike abstellen zu können. Der Wechsel geht schnell. Ab auf die Laufstrecke. Unten im Ziel läuft gerade der Gewinner ein. Ich sehe nirgends Eva. Hab ich sie verpasst? Oder war ich etwa schneller als prognostiziert, und sie ist noch nicht da? Egal. Der vierte Gel muss rein. Die Umstellung aufs Laufen fällt mir einigermassen leicht, die neuartige Belastung tut nicht mehr so weh. Bin aber auch schon schneller gerannt. Die ersten zwei, drei überholen mich; damit habe ich gerechnet. Ist normal. Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass ich die Strecke schon recht gut kenne, aber sie kommt mir überhaupt nicht lange vor. Auch merke ich, dass ich für meine Verhältnisse gar nicht so schlecht unterwegs bin, denn mich  überholt praktisch niemand mehr. Im Gegenteil, ich laufe auf immer mehr Athleten auf und kann diese meinerseits überholen, darunter ein Schweizer, der von Krämpfen geplagt wird – ein Problem, das mir bei Wettkämpfen glücklicherweise fremd ist. Jeweils jede Meile gibt es einen Verpflegungsstand, wo ich einen Becher Gatorade trinke, einen Becher Wasser über den Kopf und einen an die Oberschenkel leere. Es ist unglaublich, das Zeug ist alles eiskalt! Einfach genial bei dieser Hitze. (Da habe ich auch schon anderes erlebt!) Im Nu bin ich beim See oben, und ab jetzt geht’s mehrheitlich nur noch hinunter und vor allem dem Ziel entgegen. Die letzten 2 km sind nochmals voll an der Sonne. Die Hitze ist stechend. Jetzt nur nicht schlapp machen! Endlich durchquere ich das letzte Bachbett und laufe über die Stelle, wo ich um 0902 gestartet bin. Die folgenden 250 m im Sand fordern mir noch einmal alles ab. Hinter mir wird ein Keuchen immer lauter – ich lasse mich überholen, damit ich den Zieleinlauf ganz für mich habe. Kurz vor dem Überschreiten der Ziellinie drehe ich mich um, schaue zurück auf diese schöne, anspruchsvolle und ehrwürdige Strecke, schaue zurück auf eine wunderbare Triathlonsaison und verneige mich. Ein höchst emotionaler Moment. Dann drehe ich mich wieder nach vorne um und mache den Schritt über die Ziellinie, wo mir ein Lei umgehängt wird und wo ich von meiner Verlobten unarmt werde. XTERRA – Live More!

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Alle Fotos von Oli aus Hawaii (Vorbereitung und Race):

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